Ein weitherum bekannter Sensler Restaurateur musste in der ersten Corona-Phase an einem alten Bauernhaus in Tentlingen u.a. eine geschnitzte Inschrift von 1777 restaurieren. Aber er verstand ein Wort nicht bei: «Im Jahr Christi XXX 1777 Meister Hans Joseph Bächler und Petter Tengly». Wie lautete wohl das Original? Eher Welt, Melt, Zelt oder war der spezielle Anfangsbuchstabe nur ein Schnörkelornament? Eine Aufgabe für die historische Sprachwissenschaft!
Antwort (gekürzt): «Zelt» mit vernörkeltem Z- könnte meiner Ansicht nach hier stehen. Aber das macht auf den ersten Blick wenig Sinn. Was macht zwischen «im Jahr Christi» und «1777» überhaupt Sinn? Nicht viel, oder? Eigentlich funktioniert der Satz auch ohne diesen fehlenden Einschub. Es muss also etwas sein, das für sich allein stehen und variabel gebraucht oder weggelassen werden kann.
Da könnte es eben doch «Zelt» sein, als Verb/Partizip nämlich, im Sinn von «gezählt». Dies könnte sich auf die «neue Zählweise» nach Christi also etwa «am/an Nüü Zelt 1777» beziehen. Oder es wäre nicht die Zeitrechnung gemeint, sondern ein Termin im Jahr 1777: Wie «am Nüü Jahr 1777», aber einem Tag, der mit «Nüü Zelt» oder ähnlich beschrieben wird. Leider ist das Idiotikon noch nicht beim Wort «Zelt» angelangt und die schweizweiten Vergleiche fehlen.
He! Der Restaurator hat nach dieser Antwort «Zelt» in ähnlicher Bedeutung auch an der Jakobskapelle in Tafers (gebaut 1769) gefunden. «Nun bin ich mir sogar sehr sicher was gemeint ist, Zelt als Bedeutung für exakt jetzt oder in diesem Jahr.»
Rätsel gelöst. 🙂